15. Mai 2014

Frankreich. Aberkennung der Individualität als Regierungsprogramm


Nun soll alles nicht wahr sein, das Poster aber sagt etwas anderes: Ein Stachelbeerbein und ein glattes Bein schauen aus dem Minirock: Tragen wir die Gleichheit, liest man: Portons l'égalité !

Update. Schüler im Rock macht sich über Frauenkleidung lustig.

Das, was den Rock hebt, doppeldeutig: Das, was der Rock auslöst, hervorruft. Am Freitag, 16. Mai. Frauen, Männer, tragen wir die Gleichheit! femmes, hommes, portons l'égalité !

Weiblichkeit - Männlichkeit? Alles eines, abgesegnet vom Ministerium für nationale Erziehung des Benoît Hamon, vom Parti Socialiste, geschmückt mit der Trikolore und dem Logo der Marianne. So berichtet es Le Figaro, und nur so ist das Poster zu verstehen.

Non les garçons de l'académie de Nantes ne sont pas appelés à porter une jupe. Nein, die Jungen der Akademie von Nantes sind nicht aufgerufen, einen Rock zu tragen, behaupten  L'Union. L'Ardennais und die Libération, am 14. Mai 2014, und zitieren den Ausspruch des Rektorats gegenüber AFP. Sie mögen für mehrere solcher Krücken des Qualitätsjournalismus stehen. Das nennt man Sophisterei; denn 27 Schulen der Akademie folgen dem Aufruf. Man findet ihn inzwischen auf ihrer Website, links, unter der Rubrik Espace presse : Ce que soulève la jupe.

Frankreich ist mitten im Gender Mainstreaming, bei der Abschaffung der gleichen Rechte für Frauen.

Selbst wenn die Jungen nicht dazu aufgefordert wären, einen Rock zu tragen, was sagt das Poster aus? Der Rock der Mädchen und Frauen, auf dem Poster ein potthäßliches Teil, das keine modebewußte Frau anziehen würde, dieser Rock soll durch die Jungen im Wert gehoben werden, sprich: bislang ist er minderwertig, nicht anders, nicht Ausdruck einer bewußt inszenierten Weiblichkeit, sondern einfach minderwertig. Die Frau und ihre Weiblichkeit sind minderwertig. Das soll hier ein für allemal klargemacht werden.

Von den Schuhen ist dabei noch gar nicht die Rede. Jeder hat eine andere Farbe, der am Frauenbein ist blau, der am Männerbein lila; sie werten das unschuldige Stück Stoff, genannt Rock, zusätzlich ab.

Und die Farbe Lila, die das Poster dominiert! Das Lila Lied, von 1920/21, von Marek Weber, Text von Kurt Schwabach; man findet ihn auf Schwulencity. Sagt es jemandem etwas? Es ist die deutsche Schwulen- und Lesben-Hymne, man kann sie auf YouTube anhören und die Bebilderung dazu genießen. Wem's steht!

Den Text sollte man genau lesen, und dann erkennen und damit vergleichen, was heutzutage mit dem Gender Mainstreaming in der Gesellschaft bewirkt werden soll:

Wir sind nun einmal anders als die andern, 
die nur im Gleichschritt der Moral geliebt, 
neugierig erst durch tausend Wunder wandern, 
und für die's doch nur das Banale gibt. 
Wir aber wissen nicht, wie das Gefühl ist, 
denn wir sind alle and'rer Welten Kind, 
wir lieben nur die lila Nacht, die schwül ist, 
weil wir ja anders als die Andern sind. 

Wozu die Qual, 
uns die Moral 
der andern aufzudrängen? 
Wir, hört geschwind, 
sind wie wir sind, 
selbst wollte man uns hängen. 
Wer aber denkt, 
daß man uns hängt, 
den müßte man beweinen, 
doch bald, gebt acht, 
wird über Nacht 
auch uns're Sonne scheinen.

Dann haben wir das gleiche Recht erstritten, 
wir leiden nicht mehr, sondern sind gelitten! 

Es ist nicht die Gleichheit, sondern die Andersartigkeit, die das Lied hervorhebt, die andere Welt der Schwulen, die schwüle lila Nacht, die eigene Moral. Die Schwulen und Lesben wollen, daß sie ihr Leben führen können, wie sie es wollen.

Das alles aber soll nun der Mehrheitsgesellschaft als "normal" verkauft werden, als das moderne Banale, als neuer Gleichschritt der Moral. Wer nicht die schwülen lila Nächte liebt, der ist mindestens homophob und Neo-Nazi. Die Frauen werden dabei eben mal als solche beseitigt.


Karmeen

Das hätte ich mir in den 60er Jahren in meinem warmen Lützower Lämpchen nicht vorstellen können, daß diese einzigartige Atmosphäre mal auf dem Flohmarkt feilgeboten wird, den Heteros wie ausrangierte Lokusbrillen aufgezwungen. Peinlich!

Ich gratuliere zum 110. Geburtstag:
Ein Denkmal für Paul O'Montis. Paul O'Montis in den Wogen des Stelenfeldes
Von Gudrun Eussner, HaGalil, 25. März 2004

Im Wonnemonat Mai 1967 gründet Fred Thomé, bekannt unter seinem Künstlernamen Karmeen, in der Berlin-Wilmersdorfer Behaimstraße, die "Lützower Lampe". Dort treten bekannte Damen-Imitatoren von gestern und vorgestern auf, es sind nicht viele übrig geblieben, die blühende Kabarettszene der 20er Jahre ist bald 35 Jahre passé. Der Nachwuchs ist spärlich. Bei Karmeen trifft man Cherie Hell, Daisy, Jacqueline Orel, Mona Loren, Dolly van Doll, Rosita und andere. Zu Besuch kommt nach getaner Arbeit oft Straps-Harry, manchmal schauen aus dem "Chez Nous" auch Marcel André und Ivana, noch vorbei. Ivana ist laut abendlicher Ankündigung im "Chez Nous" direkt aus dem "Carrousel de Paris" importiert.

Die Gäste ergeben eine bunte Mischung. Angefangen vom Nachbarn, der erst nach einem Vierteljahr mitkriegt, daß die Damen keine sind, über biedere Hetero-Pärchen und flockige Tunten und Trinen trifft man auch Prominenz, Kleinschriftsteller und große Herren aus dem Schöneberger Rathaus. Deshalb ertönt der schon aus der Hamburger "Bar Celona" der 50er Jahre bekannte leicht abgewandelte Song:

In der Lützower Lampe brennt noch Licht,
doch alle Türen sind schon dicht.
Da sitzt die ganze Hautevolée,
Karten gibt es nur schwarz beim Portier.

Dort tanzen Damen sehr modern,
doch diese Damen, das sind Herrn,
sie tragen Kleider raffiniert,
wo was fehlt, das wird hübsch präpariert.

Es tanzt das Publikum
den Tango links herum,
bis morgens früh um drei
tagt hier die wärmere Partei.

Es knallen Korken durch den Saal,
nicht mal der Kellner ist normal,
und all die andern, tanderadei,
feiern heute den 17. Mai.

In dieser warmen schwülen Luft,
in diesem heißen süßen Duft,
trägt selbst der Mixer an der Bar
heut' zur Feier 'ne Rose im Haar.

Und in der Ecke, ganz privat,
sitzt eine Dame vom Senat,
das ist Herrr Meierrr, heut' mit Rock,
aus dem Rathaus im 17. Stock.

Es tanzt das Publikum
den Tango links herum,
bis morgens früh um drei
tagt hier die wärmere Partei.

Von der Kapelle hier im Saal
da ist kein einziger normal,
und auch die andern, tanderadei,
feiern heut' schon den 17. Mai.

Dieses Lied, auch bekannt als Picadilly-Tango, hier gesungen von Charly Scholl, kann ich heute noch auswendig. Ich habe es vor 55 Jahren zum ersten Mal gehört, im Hamburger Kellerlokal von St. Pauli "Bar Celona", gesungen vom Koloß von Hamburg Marcel André, der später mit seinem Zinga, zinga, zing im Berliner "Chez Nous" auftrat. Die Damenimitatoren der Lützower Lampe haben es leicht abgewandelt. Oftmals wurde statt "eine Dame vom Senat" gesungen "eine Dame, grün wie Spinat". Das war, wenn tatsächlich ein hoher Beamter des Berliner Senats, in Damenkleidern und mit einem riesigen Hut, die Show mit seiner Anwesenheit beehrte. Die anderen Beamten verkehrten eher im Privatpuff in der Leibnizstraße.

Die auf der Platte außer Marcel André verewigten Everest, Domino, Ramonita Vargas, Cheri Hell, aus Sachsen und literarisch sehr gebildet, sowie andere, Jacqueline Orel, Frieda Loch, Daisy St. Denis, Dolly van Doll, Mona Loren und Ramona Zündloch, kannte bzw. kenne ich persönlich. Ramonita, Spanier und naturalisierter Franzose, kam immer soeben aus dem "Carrousel de Paris". Nach ihrer aller getaner Arbeit tranken wir hin&wieder gemeinsam im Lützower Lämpchen noch ein Bier. Strapsharry, aus seiner "Dream Boys Lachbühne", kiekte auch rein. Manchmal ging's gleich zum Frühstück. Die unbemittelte Studentin wurde dazu eingeladen.


Was da nun in Nantes vorgeführt wird, das ist die Zerstörung der Individualität aller, der Heteros, Schwulen, Lesben, Bi, Trans, Queer, und was sonst noch an Buchstaben des Alphabets benötigt wird, um die sexuelle Vielfalt zu nivellieren zur LSBTIQ & Co. KG. Es ist keine Förderung der Gleichheit, sondern Gleichmacherei. Ein Menschenrecht, sexuelle Vielfalt und Eigenarten der Mehrheitsgesellschaft aufzunötigen, gar als neue Normalität, besteht nicht. Toleranz kommt vom lateinischen tolerare = aushalten, erdulden, erleiden, leiden, Leben fristen. Das will ich nicht, von wem auch immer verlangt, ob von Islamverstehern oder Gender Mainstreamern.

Es ist unverantwortlich, jungen Menschen, die eh schon verunsichert genug sind, nun noch mit häßlichem Röckchen, dicken Beinen, davon eines behaart, und lila Layout zu kommen. Nicht umsonst fehlt da der Kopf. Wie sähe der wohl aus? Jean-Marc Ayrault? François Hollande?

Update


Durch die Abweichungen des sexuellen Verhaltens drückt sich eine wesentliche Dimension aus, eine ununterbrochene Versuchung des Geistes und des Begehrens, auszubrechen aus den Grenzen, die die Wirklichkeit setzt, und das "Unmögliche" sich ereignen zu lassen. Es geht darum, Gottvater zu entthronen, eine Umwandlung der Welt zu bewirken. Sade, Wilde, Bellmer und andere haben die Äußerungen der Autorin veranschaulicht, die eine Freud getreue Theorie der Perversion vorträgt, obgleich sie den klassischen Schemata entgeht, und die eine Hypothese vorbringt über die Natur der Beziehungen, die die Perversion mit der Ästhetik pflegt. [Übersetzung: G.E.]

Réédition : coll. Les classiques de Champ Vallon
un volume 13 x 20 de 320 pages
ISBN 2-87673-446-X, 2006
14 euros