23. Januar 2013

Lebensborn. In der Zuchtanstalt Heinrich Himmlers

Am 14. März 2012 veröffentlicht der Verlag Flammarion, im Besitz der Verlagsgruppe Madrigall, Holding der Gruppe Gallimard, Umsatz 573,899 Millionen Euro, 2018, und drittgrößter Verlag Frankreichs, ein Buch des Enthüllungsjournalisten Boris Thiolay, vom Express : Lebensborn. La fabrique des enfants parfaits. Enquête sur ces Français nés dans les maternités SS Lebensborn. Die Fabrik der vollkommenen Kinder. Untersuchung über die in den Entbindungsheimen der SS geborenen Franzosen. Es geht um das Lebensborn-Heim "Westwald", in Lamorlaye bei Chantilly, 40 Kilometer nördlich von Paris. Der Autor wählt den Begriff "la fabrique", von fabriquer = herstellen, machen, und weist damit bereits im Titel die Richtung, in die seine Untersuchungen gehen, den Verein Lebensborn e.V. hinzustellen als eine Zuchtanstalt, in der dem Rassenwahn der Nazis genügende Kinder "nordischer Rasse" fabriziert werden, "die zukünftige Elite eines Dritten Reiches, das 1000 Jahre dauern sollte." Gleichzeitig wird dadurch die Verbindung hergestellt zur fabrique de mort, wie die Vernichtungslager der Nazis genannt werden, Fabrik des Todes. Dieser Zusammenhang zum Lebensborn besteht durchaus: "Einrottung" als Komplementär zur Ausrottung.

Franzosen wissen noch weniger über den Verein Lebensborn e.V. als Deutsche, man kann ihnen alles unterjubeln, Deutschland mit ganz neuem, angeblich unentdecktem Dreck bewerfen, als wenn in den zwölf Jahren des Dritten Reiches nicht schon genug Verbrechen von Deutschen begangen worden wären. Lebensborn-Mütter und deren Kinder werden unterschiedslos beleidigt, letztere können nichts zu ihrem Geburtsort, aber darauf kann ein Sensationsjournalist keine Rücksicht nehmen. Erst auf Seite 13 widerspricht der Autor den Vorstellungen, die Lebensborn-Heime wären "SS-Bordelle" gewesen. Einige Leser werden somit nicht auf ihre Kosten kommen, aber das Buch ist verkauft.

Bei Amazon.fr, übernommen von Babelio, DECITRE u.a., bewirbt der Verlag Flammarion das Buch: Ce livre raconte la création de nurseries spéciales, les Lebensborn, par la SS. Les deux parents étaient sélectionnés selon leur "pureté raciale aryenne" : grands, blonds, les yeux bleus. Les nourrissons y étaient abandonnés, puis adoptés par des familles modèles. Dieses Buch erzählt die Einrichtung von besonderen nurseries [das wäre französisch pouponnières, Entbindungsheime sind maternités bzw. maternity homes], besonderen Säuglingsheimen, den Lebensborn, durch die SS. Die beiden Elternteile wurden ausgewählt nach ihrer "arischen Rassereinheit": groß, blond, die Augen blau. Die Säuglinge wurden dort zurückgelassen und dann adoptiert von Modellfamilien.

Sein Buch handelt von Entbindungsheimen, maternités, vor allem von dem im Manoir de Bois-Larrisin Lamorlaye, Picardie, dem einzigen in Frankreich, in dem 23 Kinder zur Welt gekommen sind. Da aber damit keine Brücke zu den verkaufsfördernden großen, blonden, blauäugigen Nazi-Männern und Nazi-Frauen geschlagen werden kann, die in den Heimen für den Führer kopulieren, weicht der Verlag aus in einen englischen Begriff, von dem die französischen Leser eh nicht wissen, was er bedeutet: nurseries spéciales. Jeder weiß, daß die Franzosen sonst alle englischen Begriffe ins Französische übersetzen, manchmal bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Hier benutzt der Verlag zur Aufrechterhaltung des Mythos von der Zuchtanstalt das Englische. Den französischen Intellektuellen mit rudimentären Englischkenntnissen, die ihnen nach Abwahl der Sprache in der Oberstufe ihrer Eliteschulen geblieben sind, assoziieren nurse = Schwester und nicht das lateinische Wort mater = Mutter, das keinen Platz für Sexphantasien läßt.

Buchtitel und Werbung duldet der Autor, obgleich er den anerkannten Experten auf dem Gebiet der Erforschung des Lebensborns Dr. phil. et med. habil. Georg Lilienthal seit zehn Jahren, andere deutsche Forscher zum Thema Lebensborn sowie einige heute um die 70 Jahre alte Lebensborn-Kinder und deren Lebensgeschichten kennt. Im Prolog zu seinem Buch schreibt er, auf Seite 13: "Bis in die 70er Jahre, wurden diese SS-Entbindungsheime in Deutschland oft als ein Gerücht angesehen [so, wie es dasteht, die Heime, nicht ihre Nutzung als Zuchtanstalten, die kann sich der Leser gern hinzu phantasieren]. 1985 widmet Georg Lilienthal [geb. 1948], ein junger auf Medizin der Nazis und die Eugenik spezialisierter Historiker, ihnen sein Dissertationsthema. Veröffentlicht unter dem Titel Der Lebensborn e.V. (Lebensborn, eingetragener Verein), wurde sie nicht einmal in den Zeitungen erwähnt und fand deshalb keinerlei Echo. Das Thema war noch tabu. ..." 

Der Autor schildert dann auf der Grundlage der Forschungsergebnisse von Georg Lilienthal korrekt den Lebensborn, wobei einige deutsche Begriffe verballhornt werden, bis er auf Seite 18 das Heim "Kurmark" nach Wernigerode verlegt, "nahe Berlin". In Wernigerode aber befindet sich das Heim "Harz", gegründet am 1. September 1937, "Kurmark" ist ebenfalls seit September 1937 in Betrieb und in Klosterheide bei Neuruppin angesiedelt. Dann geht's korrekt weiter, vom Lebensborn als Zuchtanstalt steht weder im Prolog noch im Inhaltsverzeichnis etwas. Seine Protagonisten Erwin, Gisèle, Walter, Georges und Christiane hätten sich gewiß bedankt für die Stigmatisierung, aus einer Zuchtanstalt zu stammen.

Die von Boris Thiolay zitierte Dissertation Der "Lebensborn e.V.". Ein Instrument nationalsozialistischer Rassenpolitik wird 1985 verlegt im Gustav Fischer Verlag Stuttgart und New York, dann 1993 als Fischer-Taschenbuch, Band 11061, gebunden bei Urban&Fischer 2000, letztens 2003 als Neuausgabe, Fischer-Taschenbuch 15711, mit einem hinzugefügten Nachwort. In allen diesen Ausgaben wird wissenschaftlich nachgewiesen, daß es eine Auswahl von "arischen" Männern und Frauen zur Zeugung von eben solchen Kindern nicht gegeben hat. Im Kapitel VI Der "Lebensborn" und die radikale nationalsozialistische Geburtenpolitik (Seiten 131 bis 159) weist der Forscher nach, daß trotz aller Phantastereien der Verantwortlichen, angefangen beim Gründer des Vereins RFSS Heinrich Himmler, über "Zeugungshelfer", seines "Zeugungsbefehles", vom 28. Oktober 1939, und seines "SS-Befehles an die letzten Söhne", vom 15. August 1942, auch von Gerüchten in der Bevölkerung, die schon zur Zeit des Bestehens der Lebensborn-Heime in Deutschland und Österreich kursieren, die Lebensborn-Heime niemals als Zuchtanstalt gedient haben. Seinem Leibarzt und Masseur Felix Kersten soll er nach dessen unbelegten Aussagen Pläne für nach dem Endsieg mitgeteilt haben, deutschen unverheirateten Frauen drei "Zeugungshelfer" zur Auswahl zu vermitteln, um somit die Geburtenrate im NS-Sinn rassisch hochwertiger Kinder in Deutschland zu steigern. Himmler-Biograph Prof. Dr. Peter Longerich bemerkt zu allen Gesprächen des RFSS mit Felix Kersten (Seite 394): "... ob Kersten sich diese Gespräche nach Kriegsende ausdachte, muß allerdings dahingestellt bleiben." 

Über die Adoption hat der RFSS dezidierte Ansichten, nämlich, daß rassisch wertvolle Mütter ihre Kinder nicht weggeben zur Adoption, sondern sie in ihren Familien aufziehen. Bei 8 000 bis 9 000 in den zehn Lebensborn-Heimen des "Reichsgebietes" geborenen Kindern, von ihnen etwa die Hälfte unehelich geboren, stimmt er in ca. 100 Fällen einer Adoption zu. Von künstlicher Befruchtung, von "gelenkter Fortpflanzung", hält er im Gegensatz zum Reichsgesundheitsführer Dr. Leonardo Conti gar nichts. Ab der Beratung unfruchtbarer Ehepartner hört beim RFSS das Verständnis auf. Soweit zur Behauptung, die arischen jungen Frauen wären nach der gelenkten Zeugung später zum Gebären ins Heim gekommen und hätten ihre Kinder dort zur Adoption zurücklassen sollen.

"Über die Grenzen vielleicht sonst notwendiger bürgerlicher Gesetze und Gewohnheiten hinaus wird es auch außerhalb der Ehe für deutsche Frauen und Mädel guten Blutes eine hohe Aufgabe sein können, nicht aus Leichtsinn, sondern in tiefstem sittlichem Ernst Mütter der Kinder ins Feld ziehender Soldaten zu werden, von denen das Schicksal allein weiß, ob sie heimkehren oder für Deutschland fallen," heißt es im SS-Befehl für die gesamte SS und Polizei, dem "Zeugungsbefehl". Man ahnt ja nicht die Ausmaße der Prüderie und der moralinsauren Beflissenheit, die das ganze von Sensationspublizisten in den internationalen Medien nach WKII und bis heute zum Bordell stilisierte Lebensborn-Projekt bestimmen: "Die christlich-abendländische Moralauffassung von der Ehe wurde abgetan als verstaubte Gewohnheit. Ihr wurde als wahre Sittlichkeit gegenübergestellt die Erhaltung des Wohls des Volkes, dessen Urquell die biologische Existenzsicherung zu sein hatte," schreibt Georg Lilienthal (Seite 133). Wie das nach Ansicht des RFSS  zu verstehen ist, sieht man u.a. an den beiden SS-Befehlen, vom 28. Oktober 1939, und vom 15. August 1942.

Auch die deutschen Staatssender können der Lust auf Sensation noch 2006 nicht widerstehen, und so ist Eva-Maria Götz im Deutschlandradio, zum 70. Jubiläum des Lebensborn-Heimes "Hochland", Steinhöring, am 15. August 2006, eine einzige Ausgeburt an morbiden Sexphantasien: "In den Heimen sollte der deutsche Nachwuchs nach den Maßstäben der krankhaften NS-Rassenideologie gezeugt werden." 

Als schon alle, halb ausgeschlafen an den Lautsprechern ihrer Autoradios, jetzt aber richtig wach und in Fahrt gekommen sind ob der Geilheit, die da in den Zuchtanstalten des Deutschen Reiches herrscht, und Eva-Maria Götz nochmal so richtig aufdreht: "Da die insgesamt neun deutschen Heime streng von der Öffentlichkeit abgeschirmt waren, entstanden Gerüchte über rauschende Sex-Orgien blonder Menschen mit Paarungszwang, der Haut-Gout der Schlüpfrigkeit und Pornografie umweht die Organisation bis heute," darf die in einem Lebensborn-Heim in Oslo geborene Autorin Gisela Heidenreich, eines der wenigen großen und blonden Lebensbornkinder und ausgezeichnete Kennerin der Geschichte des Lebensborns, gen Schluß der Sendung die Gemyther kühlen: "Der Lebensborn gibt bis heute Anlass zu Spekulationen, das seien Luxusbordelle für SS- Offiziere gewesen. So war es nicht, aber das ist eine Legende, die sich bis zum heutigen Tag hält." Sie demonstriert damit, daß der Text der Eva-Maria Götz sein Verfallsdatum schon  bei Sendung erreicht und überschritten hat.

Das Gerücht einer Zuchtanstalt für "arische" Kinder wird 1975 publizistisch von Frankreich aus als Tatsache verbreitet von Marc Hillel, in seinem im Verlag Fayard des Rüstungskonzerns Lagardère veröffentlichten Buch Au nom de la race, deutsch Im Namen der Rasse: "Die erste umfassende Dokumentation über Himmlers Lebensborn-Zuchtstätten. Bisher unbekannte Materialien zur NS-Rassenpolitik", so der Verlagstext bei Zsolnay, Wien und Hamburg 1975. Ein 95- minütiger Film zum Thema hat am 19. Februar 1975 Premiere, Produzentin ist die staatliche Agence Française d'Images (AFI). 

Das Buch ist in Frankreich ein Bestseller, fliegen doch die Intellektuellen Frankreichs seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs auf alles, was die deutsche Schuld schwärzer und ihre eigene Kollaboration vergessen machen könnte. Gern hätte man aus der Feder französischer Autoren vergleichbare Untersuchungen über das französische Personal in der Dokumentation von Robert O. Paxton: Vichy France. Old Guard and New Order 1940-1944 gelesen. Allein zum Schlagwort "Jews" bringt er 15 Unterteilungen: u.a. economic enterprises seized, mass deportations, purged from professions and public service, see also anti-semitism, dort noch einmal so viele Unterteilungen, und zu colloboration liest man am besten gleich das ganze Buch. Stattdessen reicht es französischen Autoren nicht, Tatsachen über das Dritte Reich zu erforschen und zu verbreiten, sondern sie müssen noch Fiktionen hinzufügen.

Marc Hillel trifft bei seinen Untersuchungen über den Lebensborn immer wieder auf dieselben drei Adressen von Lebensborn-Insassinnen. Er erklärt das damit, daß dort die Zeugung von arischen Kindern durch ausgewählte blonde, blauäugige Männer und Frauen stattgefunden haben müßte. Stattdessen sind das in allen Fällen zur Geheimhaltung der Entbindung und des Aufenthaltes in den Lebensborn-Heimen den Müttern unehelicher Kinder zur Verfügung gestellte Deckadressen in München, es sind die Anschriften von Lebensborn-Mitarbeitern.

Deutsche Forschung, seit 1985, über den Verein und die Verbrechen, in die er verwickelt ist, in Rassenpolitik und Euthanasie sowie im WKII zusätzlich in den Raub von Zehntausenden zu "arisierender" Kinder aus den besetzten Ländern Europas gehen an französischen Autoren und Intellektuellen nahezu spurlos vorüber. Ihren Büchern merkt man an, daß sie kein Deutsch können, und auch kein Interesse daran haben, das etwa zu verschleiern. Am 22. Juni 2012 rezensiert der Betreiber der Website comprendreletotalitarisme Marc Hillels Buch aus dem Jahr 1975, als wäre es gestern erschienen, als hätte Georg Lilienthal nie die Feder gerührt für einen einzigen Satz über den Lebensborn. Das Desinteresse in Frankreich an einer Aufklärung der Tatsachen zugunsten der Bezichtigung der Deutschen mit imaginären Verbrechen könnte sich nicht besser ausdrücken.

Der Betreiber des der Befreiung von Lamorlaye gewidmeten Blogs 30aout44lamorlaye, ein "mec" von 43 Jahren, weiß denn auch unbeirrt über das Heim "Westwald": "Der Ort war sehr geheim, selbst die Soldaten der Wermacht [sic] hatten kein Recht sich ihm zu nähern, nur die deutsche Polizei und die SS waren anwesend am Ort, weil das Ziel dieser Einrichtung war, daß sich dort die arische, allerreinste Rasse fortpflanze. Der Lebensborn wurde geleitet vom ehemaligen Oberstabsarzt der Polizei [SS-Sturmbannführer] Dr. [Günther] Fritze. Den Männern der Waffen-SS wurde gestattet, dorthin zu kommen, um mit jungen blonden, blauäugigen Frauen Kinder zu zeugen, aber die Stätte war dermaßen geheim, daß davon kein Dokument über die Anzahl der Geburten erhalten ist, man weiß nur, daß der Lebensborn am 6. Februar 1944 eröffnet wurde."

Es sieht so aus, als daß der Blogbetreiber den Artikel von Edouard Launet Bébés nés à Chantilly, aus der Libération, vom 27. August 2004, samt Fehlern übernommen und zusammengefaßt hat.

Auf der Suche nach Lebensborn-Kindern aus diesem Heim "Westwald" stößt Boris Thiolay einige Jahre später auf Erwin, Gisèle, Walter, Georges und Christiane, von denen einige dort geboren sind, im einzigen Lebensborn-Heim Frankreichs. Das Heim wird erst gegen Kriegsende eröffnet, als die Nazi-Führung vor dem Scherbenhaufen ihrer Verbrechen steht und nun wirklich alle und jeden gebrauchen kann zur Fortsetzung ihres ideologischen Wahnes, sogar französische, "latinisierte" Schwangere, die nicht so ganz ihren Vorstellungen vom arischen, blonden und blauäugigen Menschen entsprechen. Die Kriterien der Aufnahme in die Lebensborn-Heime sind schon verwässert seit Max Sollmann die Heime leitet, seit Frühjahr 1940: "Im Gegensatz zu [Dr. Georg] Ebner kümmert er sich nicht um Ideologie. Einmal für den Nationalsozialismus entschieden, interessierte ihn als Kaufmann nur noch der wirtschaftliche Aspekt der Aufgabenstellung. Diese Haltung ermöglichte es ihm, seine Fähigkeiten ohne jede Einschränkung der SS dienstbar zu machen," schreibt Georg Lilienthal (Seite 118). Dieser Tatsache verdankt manches Lebensbornkind seine Geburt im Lebensbornheim. 

In Frankreich kommt hinzu, daß es Anfang 1944 ca. 200 000 Kinder französischer Frauen gibt, die mit deutschen Soldaten Liebesbeziehungen eingegangen sind, später bezeichnet als Kinder der Schande, enfants maudits, "verfluchte Kinder", "Bastarde", "Parasiten", und die Mütter als "Nazihuren". Darüber schreibt in französisch und deutsch Jean-Paul Picaper, gemeinsam mit Ludwig Norz: Enfants maudits. Das Buch erscheint 2004 in den Éditions des Syrtes, deutsch unter dem Titel Die Kinder der Schande, im Jahr 2005, im Piper Verlag; es wird ein Bestseller.

Man gewinnt einen Eindruck vom Unterfangen in Lamorlaye: 23 Geburten!

Das Heim wird auf Grund des Kriegsverlaufs am 10. August 1944 geschlossen, die dort geborenen Kinder nach Deutschland verschleppt, Das ist das größte Verbrechen. In Steinhöring, im Mutterhaus "Hochland", finden die Amerikaner, am 3. Mai 1945, unter 162 zwischen einigen Wochen und knapp vier Jahre alten Kindern 15 vermeintlich sämtlich französische Kinder. Es sind aber sowohl französische als auch belgische, aus den Lebensborn-Heimen "Westwald", in Lamorlaye, und "Ardennen", in Wégimont, bei Lüttich. Die Identität dieser Kinder ist zum Teil bis heute nicht geklärt.

Das Lebensborn-Kind Gisèle wird am 19. April 2012 in der Sendung Au coeur de l'histoire. Im Zentrum der Geschichte, von Franck Ferrand im Fernsehsender Europe1 interviewt: Ces Français nés dans des maternités SS. Diese in den Entbindungsheimen der SS geborenen Franzosen (Vidéo 37:57). Europe 1 kündigt die Sendung so an:

"Heute erzählt uns Franck Ferrand vom Schicksal von unter sehr besonderen Umständen geborenen Kindern. 'Vollkommene Kinder', deren Eltern von der SS ausgesucht worden waren. Sie wurden im Lebensborn geboren, dieser Art von sehr speziellen Entbindungsheimen, die von den Nazis gegründet worden waren mit der Absicht, eine 'überlegene Rasse' zu begründen."

Boris Thiolay kommentiert die Komplementariät von Vernichtungspolitik gegen sogenannte minderwertige Rassen, Juden, Zigeuner, und Menschen im Rahmen der Euthanasie, und der Politik zur Schaffung einer höherwertigen Rasse, wobei er richtig bemerkt, daß Vernichten sehr viel einfacher ist als Schaffen.

Und dann kommt wieder in aller Breite die Erzählung von rassisch wertvollen Elternteilen, diese hätten vorab [!] eine Selektion durchmachen müssen, um für würdig befunden zu werden, ein Kind zu zeugen (15:40). Der Interviewer fragt nach: "Medizinisch? Physisch?" Der potentielle Zeugungspartner und die potentielle Mutter seien Rassenspezialisten vorgeführt worden, den "Rassenprüfern". Davon steht im Standardwerk von Georg Lilienthal nichts, einfach deshalb, weil es so nicht abgelaufen ist. Es gibt kein einziges Lebensbornkind, das auf diese Weise entstanden ist.

Franck Ferrand fragt nach der Stellung der Eltern: "Waren das welche, die sich freiwillig zur Zeugung bereitgefunden hätten?" (25:15) Boris Thiolay antwortet, es habe zwei große Kategorien von Frauen gegeben: Am Anfang seien das junge deutsche Frauen aus unterschiedlichen Kreisen, die eine Beziehung zu einem Soldaten haben, vorzugsweise aus der SS. Zur zweiten großen Kategorie kommt er nicht mehr. Es wird zunächst auch nicht Gisèle interviewt, sondern der Autor berichtet über sie, die bereits selbst Nachforschungen über ihre Herkunft angestellt habe, ihre Mutter sei eine in Belgien geborene Ungarin gewesen, die ein Verhältnis mit einem deutschen Soldaten gehabt habe. Erst in den letzten Minuten der Sendung kommt Gisèle zu Wort.

Das zweite Standardwerk über den Lebensborn, wenn man nur zwei lesen wollte, ist von Dr. Dorothee Schmitz-Köster: "Deutsche Mutter, bist du bereit ..." Der Lebensborn und seine Kinder, Erstauflage 2010. Schwerpunkt der Untersuchungen ist das Lebensborn-Heim "Friesland" in Hohehorst bei Bremen. Sie "setzt sich mit dem Mythos von 'nationalsozialistischen Zuchtanstalten' auseinander." Ihre Archivforschungen und Interviews sowohl mit ehemaligen Angestellten der Heime als auch mit Lebensbornkindern bestätigen Georg Lilienthal darin, daß die Lebensborn-Heime keine "Zuchtanstalten" gewesen sind. Eine Rezension von Gudrun Boch ist auf der Website der Autorin zu lesen. Das Buch ist eine Aktualisierung und Erweiterung ihres Buches Deutsche Mutter, bist du bereit. Alltag im Lebensborn, erschienen im Aufbau-Verlag Berlin 1997, als Taschenbuch 2003. Schon in diesem ersten Buch setzt sich Dorothee Schmitz-Köster auseinander mit dem Mythos von den "Zuchtanstalten". 

Die Autorin setzt nach mit weiteren Untersuchungen, bei Piper erscheint 2012 ihr Buch Lebenslang Lebensborn. Die Wunschkinder der SS und was aus ihnen wurde. Der Fotograf Tristan Vankann porträtiert 19 der 20 vorgestellten Lebensbornkinder, eines davon war mongoloid und ist deshalb im Alter von elf Monaten ermordet worden. Als ich einem Freund das Buch mit den Fotos zeige, meint er: "Sie haben alle so traurige Augen!"

Die Überschriften und Kurzbeschreibungen der Lebensläufe zu den einzelnen Interviews mit der "zukünftige Elite eines Dritten Reiches, das 1000 Jahre dauern sollte", sprechen Bände. Zum Thema des Boris Thiolay: "Die beiden Elternteile wurden ausgewählt nach ihrer 'arischen Rassereinheit': groß, blond, die Augen blau", konsultiere man die Kurzbeschreibungen der Lebensläufe oder lese am besten gleich das ganze Buch.

Hier die Überschriften:
  • Verplant oder: Ich habe mein eigenes Leben gelebt, und das ist das Wichtigste
  • Ersehnt oder: Welche Enttäuschung,  dass  ich  nicht der erwartete Junge war
  • Erwünscht oder:  Bloß keine Ich-und-ich-Nummer
  • Abgelehnt oder: Sie  durfte das Kind nicht mit nach Hause bringen
  • Verfälscht oder: Auf meine Mutter lasse ich  nichts kommen
  • Akzeptiert oder: Ich  bin einer, der gerne  etwas  bewegt
  • Verheimlicht oder: Wir wollen jetzt alles wissen, sagen meine Kinder
  • Willkommen oder: Ich wollte nur normal sein
  • Verleugnet oder: Mich gab's  nicht, mich gab's  nicht!
  • Zurückgelassen oder:  Ich war von Anfang an auf mich allein gestellt
  • Weggegeben oder:  Die jagen wir dem "Führer" ab!
  • Abgeschoben oder:  Ich war ein herrenloses Kind
  • Mitgeschleppt oder: Ich  habe ständig meine Mutter gesucht
  • Vergessen oder: Sie  müssen doch wissen, wie Sie  heißen!
  • Verschwiegen oder:  Ich bin ein  Patenkind von Heinrich Himmler 
  • Aussortiert oder: Richtige Ruhe habe ich nie gefunden
  • Ausgesondert oder: Diagnose "mongoloide Idiotie"
  • Eingedeutscht oder: Ich  konnte mich nicht wiederfinden
  • Importiert oder: Wir hatten es  gut
  • Verschleppt oder: Ich bin ein  Banditenkind - und stolz darauf

Es ist seit 1985 einiges an Literatur zur Klärung auf dem Markt. Das aber interessiert Franzosen nicht, sie geilen sich lieber an deutschen Verbrechen auf, unterschiedslos an begangenen und erfundenen. Die Zeugung von Kindern in den Lebensbornheimen der SS übt auch eine Faszination aus auf die in ihrer Province Grenobloise sich langweilende Schriftstellerin und ehemalige Journalistin Mano Gentil. Le berceau de la honte. Die Wiege der Schande, nennt sie ihr bei Calmann-Lévy, am 9. Januar 2013, erschienenes Melodram: "Ich wollte verifizierbare Elemente einträufeln, ohne in Voyeurismus zu verfallen. Man hat den Lebensborn oft mit Bordellen oder mit Zuchtanstalten für Menschen verglichen. So war es nicht. Es gab eine wahre politische Ideologie hinter diesen grauenvollen Geburten,"  erklärt die Autorin.

Der Verlag bewirbt das Buch mit klassischem Anfang über den Wahnsinn, die Verrücktheit des Dritten Reiches und geht dann in die Vollen der Kinderproduktion. Marthe, Landpommeranze aus der Picardie, und der schöne SS-Offizier Johannes, daß er groß, blond, blauäugig ist, muß der Verlag nicht erst mitteilen, es versteht sich von allein, zeugen im Lebensbornheim "Mésanges", Meisen, den rassisch hochwertigen Sven. Dazu muß Marthe als Person verschwinden und in Agatha umbenannt werden. Warum, erklärt die Autorin vielleicht im Text. Ist eine solche Nazi-Zeugung für eine Französin nicht zumutbar? Ist Agatha von Catania das Niveau? Französinnen als Märtyrerinnen der deutschen Nazis? "Marthe kollaboriert also bei der Mission des Johannes: dem Führer ein Kind schenken. Sie ändert ihr Leben und ihren Namen, wird Agatha [die Gute], die schöne Agatha. Sie gebiert Sven, der die Elite Großdeutschlands verkörpern soll. Aber die Zeit der Sorglosigkeit ist kurz [und das Unglück schreitet schnell], die deutsche Niederlage zwingt die junge Mutter, allein den Komfort und die Ordnung des Heimes zu verlassen. So kommen Fragen auf, und die bis dahin unverrückbaren Gewißheiten machen Zweifeln Platz ... Ein Roman, in dem die Liebe und alle ihre Paradoxien ein verkanntes Kapitel der Nazipolitik erhellen." Die Tageszeitung Le Parisien ist begeistert, meine Omma dagegen hätte sie gewarnt: "Agathe, die Puppe kotzt!"

Für ein Buch wie das von Boris Thiolay muß man schon dankbar sein. Das erzählt im Titel von fabrikmäßiger Herstellung von Kindern, liefert einige fehlerhafte Stellen, raunt noch leise von Zuchtanstalten vor sich hin, wird schlüpfrig beworben, Klappern gehört zum Handwerk, scheint aber im Text Abstand von den gröbsten Phantastereien zu halten und sich auf Tatsachen zu konzentrieren. 

Das soll nicht so bleiben! Dafür sorgt die Kinderbuchautorin Sarah Cohen-Scali, die Jungen und Mädchen ab 12 Jahren [!] in ihrem am 31. Mai 2012 bei Gallimard erschienenen Buch Max heiße Sexaufklärung aus Lebensbornheimen offeriert. Da spricht, zu Führers Geburtstag, ein NS-verseuchter Fötus im Mutterleib, 14-jährige Mädchen werden von Hitlerjungen gruppenvergewaltigt, leichte Mädchen im Mehrverkehr von SS-Offizieren für den Führer geschwängert, Ehebrecherinnen lassen sich vom Geliebten anbuffen und dürfen deshalb kostenlos im Lebensbornheim niederkommen. Später trifft der Fötus, als Kind vorzeitig gealtert und weise geworden, auf einen Juden, der ihn von seiner Nazi-Ideologie befreit. Gallimard verdient bestens am Nazi-Trip.

12, in Worten: zwölf Literaturpreise hat sie dafür abgeräumt.


"Nationale Erziehung [!]. 
Montbard: Treffen zwischen der Schriftstellerin Sarah Cohen-Scali und Schülern der Sekundarstufe"
Education nationale. Montbard : rencontre entre l’écrivaine Sarah Cohen-Scali et des collégiens
"Autor: Das Allgemeinwohl" [!]

Darüber demnächst mehr!


Man kommt kaum noch nach mit der Lektüre französischer Bücher über den Verein Lebensborn e.V.

Oscar Lalo : La Race des orphelins, Belfond Pointillés, 2020.  288 pages,
Pocket 23 septembre 2021

"Die Rasse der Waisen". Eine weitere Ansammlung von Lügen, basierend auf Marc Hillel. Das Hakenkreuz darf nicht fehlen. Es fängt damit an, daß das inzwischen 76-jährige Lebensbornkind Hildegard Müller, gezeugt und geboren "zum Ruhm der Menschheit" von unbekannten aber arischen Eltern, kaum lesen und schreiben kann. Siehe das Mädchen, unten! Das hat der Autor nicht von Marc Hillel, sondern vielleicht durch Hörensagen von Prof. Dr. med. Dr. lit. h.c., paed. h.c., phil. h.c. et med. h.c. mult. Theodor Hellbrügge, der hat nur solche armen geistig behinderten Würmchen mit "massivsten Entwicklungsdefiziten" getroffen.

Das Buch reiht sich ein in die Bemühungen von Franzosen, die Deutschen nach inzwischen 80 Jahren mit Dreck zu bewerfen; es wird von Babelio angemessen vorgestellt und erhält umgehend Preise, den Literaturpreis für den zweiten Roman 2021 in Höhe von 2000 € und den Ehrenpreis Filigranes 2020, für "ein Buch von Qualität, das allen zugänglich ist".

Auch in den USA und in Schweden sind die Lügen französischer Autoren sehr beliebt. Howard Fischer, läßt im Hektoen International. A Journal of Medical Humanities [sic] nichts aus: Mädchen vom Bund deutscher selbiger oder ähnlicher Vereinigungen melden sich freiwillig zum "One-night-stand", um dem Führer ein Kind zu schenken. Sie müssen sich Rassenuntersuchungen unterziehen, physische und psychische Prüfungen bestehen, Hitler-Loyalitätstests absolvieren, ihrer Religion abschwören und werden den arischen jungen Männern zwecks Kopulation zugeführt. Howard Fischer beruft sich auf Marc Hillel und Oscar Lalo.

Aktualisiert und ergänzt, am 28. August und am 17. September 2022 😁