23. September 2011

Hans Erler: Zur Aktualität des Judentums

Seit der Veröffentlichung des Buches von Hans Erler Judentum und Sozialdemokratie. Das antiäutoritäre Fundament der SPD sind zweieinhalb Jahre vergangen, in denen die SPD nicht aufgefallen ist durch etwaige Bindungen an das Judentum. Man kann davon ausgehen, daß die Interessen der Juden an einer Würdigung ihrer Rolle in der und für die SPD auch weiterhin von aufrechten Nichtjuden wie Hans Erler vertreten werden müssen, sage ich in meiner Rezension, voraus, aber ich gebe zu, daß es dazu nicht viel braucht. Wer die Angriffe des Bundesvorstands der SPD samt Beantragung des Parteiausschlußverfahrens gegen Thilo Sarrazin erlebt hat, der wird nichts anderes konstatieren können als die Selbstvergessenheit einer einstmals der Wirklichkeit des Lebens zugewandten Partei, deren Vorstand heute nur noch auf die Rückgewinnung der Regierungsmacht orientiert ist: rosarote Leere, in der auch der winzigste Hinweis auf das Judentum keinen Platz hat.

Der Gipfel der jüdischen Gefühle ist im Frühjahr 2007 die Einrichtung eines Arbeitskreises jüdischer Sozialdemokraten. Neben Peter Feldmann wird Sergey Lagodinsky einer der beiden Sprecher; er bedarf eines neuen Aufgabengebietes. Bis Februar 2006 ist der Doktorand Programm-Direktor des Berliner American Jewish Committee (AJC) und anschließend sein externer Sonderberater. Er sieht seine Hauptaufgabe darin, sich um die muslimischen Brüder und Schwestern zu kümmern, auf daß sie ihre Religion ausüben und dem Moscheebau nachgehen können, dem Bau muslimischer Kultuseinrichtungen. Was davon zu halten ist, hat Prof. Karl Albrecht Schachtschneider juristisch nachgewiesen: Es gibt keine grundgesetzlich gewährleistete Religionsfreiheit. Tatsachen aber haben Linke aller Couleur noch nie davon abgehalten, ihren Zielen nachzugehen und sie anderen zu oktroyieren.

Während Hans Erler alles daran setzt, die jüdischen Wurzeln der Sozialdemokratie im Hamburger Grundsatzprogramm der Partei einzusenken, weil er meint, die SPD sei zuerst "eine jüdische Erfindung", kümmert sich der SPD-Arbeitskreis um die von Funktionären und Finanziers aus der Türkei, aus Saudi-Arabien, dem Iran, den Vereinigten Arabischen Emiraten sowie von deutschen Interessenten, von Ministerien und Behörden, Kirchen, der Bertelsmann-Stiftung, der Bundeszentrale für politische Bildung und ähnlichen selbstvergessenen Kreisen moralisch und finanziell reichlich unterstützten deutschen Muslimvereinigungen.

Steht etwas zum jüdischen Erbe im Hamburger Programm, vom 28. Oktober 2007, zu den Wurzeln der Sozialdemokratie im Judentum? Es wird an drei Stellen erwähnt, auf den Seiten 13 und 39, und zwar in einer Banalität, daß man das getrost hätte weglassen können, es fällt eh keinem auf, was es bedeutet. Immerhin sind die paar dürren Zeilchen Hans Erler zu verdanken, wobei es selbstverständlich ist, daß im neuen Programm der Verweis auf die Bereicherung durch den Islam nicht fehlen darf: "Friedliche Vielfalt wird nur möglich sein, wenn wir uns unserer geistigen Wurzeln in jüdisch-christlicher Tradition - die auch von griechischer Philosophie, römischem Recht, arabischer Kultur beeinflusst worden ist - und in Humanismus und Aufklärung versichern."

Wenn´s darum geht, sich die Lorbeeren für die Erwähnung der jüdischen Wurzeln der Sozialdemokratie im Parteiprogramm anzustecken, dann ist Sergey Lagodinsky vorn, und Talmud.de schreibt zum Thema SPD bekennt sich zu jüdischen Wurzeln, im Oktober 2007, ohne Hans Erler zu erwähnen:

"Der Berliner Sergey Lagodinsky betonte insbesondere die konstruktive Zusammenarbeit mit dem Parteivorstand. 'Wir freuen uns, mit unseren Argumenten innerhalb der Partei auf viel Offenheit gestoßen zu haben [sic!]', so Lagodinsky."

Im April 2011 hat Sergey Lagodinsky ihrer Haltung zu Thilo Sarrazin wegen mit der SPD fertig, sehr zum Leidwesen der Arbeitskreisler, die nicht etwa froh sind, ihn endlich los zu sein, sondern die im Gegenteil Thilo Sarrazin zu "einem von hässlichen und tiefen Vorurteilen geprägten Mitglied" erklären. Das Parteimitglied seit 2001 Sergey Lagodinsky tritt aus, weil Thilo Sarrazin aus "Angst vor dem Stammtisch" dort immer noch Mitglied ist, und nun sucht der Rechtsanwalt und Publizist politisches Asyl und Auskommen bei den Grünen. Die freuen sich über den Neuzugang.

Hans Erler bleibt derweil seiner selbstgestellten Aufgabe treu, weitere Beweise für den Ursprung der Sozialdemokratie im Judentum vorzulegen. Während sich der Arbeitskreis jüdischer Sozialdemokraten in Dhimmi-Manier beeilt, den Muslimen die ihnen gebührende Aufwartung zu machen, wobei Ralph Giordano und Personen, die dessen Ansichten teilen, hingestellt werden als intolerant, bemitleidenswert, ängstlich und verzweifelt, während Sergey Lagodinsky sich an der skandalösen Konferenz Feindbild Muslim - Feindbild Jude des inzwischen zum Interviewpartner des Muslim-Marktes abgesackten Prof. Wolfgang Benz beteiligt, arbeitet der Rebell Hans Erler weiter. Im Verlag Königshausen & Neumann GmbH veröffentlicht er jetzt auf 270 Seiten zweiundzwanzig Texte Zur Aktualität des Judentums. Vorträge 1997 bis 2010.

Zehn Texte stammen aus Publikationen im Frankfurter Campus Verlag, zum Verständnis des Judentums, aus den Jahren 1997 bis 2003, zwölf Texte sind Vorträge, die Themen der ersten zehn sowie des Buches "Judentum und Sozialdemokratie. Das antiäutoritäre Fundament der SPD" aufgreifen.

Ich habe die Neuerscheinung auszugsweise gelesen und den Eindruck gewonnen, daß Hans Erler sich am Judentum abarbeitet. Er leistet Sisyphos-Arbeit. Zu der Figur habe ich in der Rezension, vom 8. Mai 2009, bereits im Abschnitt "Überflüssige Kapitel im Buch Judentum und Sozialdemokratie" Stellung genommen. Den Berg hinauf einen Brocken wuchten zu wollen, von dem jeder von weitem sieht, daß ein einzelner das nicht schaffen kann - von der Frage, warum er es überhaupt schaffen sollte, ist dabei noch gar nicht die Rede -, das macht den existentialistisch begriffenen Menschen glücklich. Für mich ist ein solcher in der Sinnlosigkeit angekommen. Und wenn er nicht gestorben ist, wuchtet er heute noch. Die Sisyphos-Arbeit des Hans Erler besteht darin, den von den Juden geforderten Gehorsam gegen Gott zu verkehren in die Aufforderung zum Ungehorsam. "Der Band ist ein für Deutschland einzigartiges Dokument der Annäherung und Identifikation mit jüdischem Denken," bewirbt der Verlag die Neuerscheinung.

"Und dann achten Sie bitte auf das Wort 'steilen', da will einer hoch und kommt nicht rauf," würde Gottfried Benn dazu bemerken.

Gehorsam als Geist des Judentums

Auf Gehorsam und nicht auf Ungehorsam baut das Judentum auf. Das aber ficht Hans Erler nicht an. Das Verbot (Genesis 2:17) wird in der zweiten Fassung der Schöpfungsgeschichte von Gott dem Menschen ausgesprochen zu einer Zeit, als der sich noch nicht bewußt ist, ob er Männlein oder Weiblein. Mir gefällt die erste Fassung besser, da bin ich als Frau von vornherein gleichberechtigt mit dabei. Das ist die Fassung, in der es heißt: "Und Gott sah alles, was er gemacht, und siehe, es war sehr gut." (Genesis 1:26-31) Von Ungehorsam im Paradies ist nicht die Rede. Hans Erler aber unterstellt, daß Gott den Menschen in seinem Ungehorsam für sehr gut gelungen hält. Gleich in der Vorbemerkung zu seinen Vorträgen macht er's den Lesern weis. (Seite 9)

Genesis 2:17, das die Zeit der Schöpfung beschreibt, also vor den Zehn Geboten, konfrontiert den Menschen, der das Paradies bebaut und wartet - 'ne Frau hat er da noch nicht - mit dem ersten Verbot Gottes und mit der Strafe des Todes. Auftritt die "Männin", die Schlange bemächtigt sich ihrer und stellt ihr die Vorzüge der Gottgleichheit dar, wie Er zu wissen, was Gut und Böse, und sterben werde man davon nicht. Mit den Folgen des ersten Ungehorsams gegen Gott müssen wir bis heute klarkommen, die Juden und die Christen jeweils auf ihre Weise. Christen nennen den Verbotsübertritt im Paradies "Sündenfall", der sich als "Erbsünde" auf die entstehende Menschheit übertragen hat. Das ist für Christen der treffende Ausdruck, daran knüpfen sie an mit ihrem Glauben an Jesus Christus, der die Erbsünde sowie alle daraus folgenden Sünden auf sich nehmen und den einzelnen Menschen erlösen könne. Darüber urteilt Hans Erler ablehnend, als wenn durch das Christentum die "Erfolgsgeschichte der Menschheit" versperrt worden wäre. (Seite 243)

Einmal Gut und Böse erkannt, begriffen, daß der Mensch zu beidem fähig ist, die Entscheidungsfreiheit hat, ist es sicher, daß er "sündigen" wird. Eugen Sorg hat dazu interessante Ausführungen gemacht in seinem Buch Die Lust am Bösen. Warum Gewalt nicht heilbar ist.

Wie Hans Erler die Paradiesgeschichte interpretiert, das ist schon gediegen, es hat hohen Erkenntnis- und Unterhaltungswert. (Seite 185f.) Die Übertretung des Verbotes schaffe überhaupt erst den Menschen, wie wir ihn kennen - und lieben. Auch Gott stellt er sich, dem Sisyphos gleich, glücklich vor ob des Ungehorsams des ersten Menschenpaares: "Wir müssen uns G'tt deshalb glücklich vorstellen." (Seite 243) Warum schreibt er "G'tt", obgleich wir von ihm aufgefordert werden, uns Ihn vorzustellen entgegen dem Gebot, uns kein Bild und kein Abbild zu machen? (Exodus 20:4) Die Thora sagt anderes aus: "Wo bist du?" wird Adam gefragt, und Eva: "Was hast du getan?" Adam wie die in ihrem Ungehorsam angeblich so gottgefällige Eva, schieben beide die Verantwortung von sich. Gottes Strafe für den Ungehorsam folgt, Er verflucht die Schlange, die beiden Menschen müssen das Paradies verlassen, und sie sind nicht mehr unsterblich. (Genesis 3)

Die Zehn Gebote zeigen ebenfalls nirgends eine positive Würdigung des Ungehorsams, weder im Judentum, noch im Christentum.

"Ich bin der Ewige, dein Gott, der ich dich geführt aus dem Lande Mizrajim [Ägypten], aus dem Knechthause." Dies ist der Leitsatz für die folgenden neun Gebote. Sie sind DAS WORT, sie sind nicht nummeriert oder gar nach Wichtigkeit geordnet, in der Thora steht nirgends eine Nummer davor. Raschi, Rabbi Schlomo Izchaki (1040 - 1105), kommentiert:

Exodus 20, 1. Gott sprach, dieser Gottesname hat die Bedeutung Richter; weil es Abschnitte in der Thora gibt, für deren Erfüllung der Mensch Lohn empfängt und deren Nichterfüllung er keine Strafe erhält (wie die freiwilligen Opfer, Lev. 1), hätte ich dies auch von den zehn Geboten meinen können; darum heisst es, Gott sprach als Richter, um zu bestrafen (Mech.) Alle diese Worte, das lehrt, dass der Heilige, gelobt sei Er, die zehn Gebote in einem Worte aussprach, was ein Mensch nicht so aussprechen kann; wenn es aber so ist, was lehrt dann noch, Ich bin ..., du sollst nicht haben ...? Er wiederholte dann und erklärte jedes einzelne Gebot für sich. Also, das lehrt, dass sie auf die Gebote mit Ja und auf die Verbote mit Nein antworteten (Mech.).

Deuteronomium 5, 12. Hüte, und in den ersten sagt er (Exod. 20,8), gedenke; beides wurde durch einen Ausspruch und ein Wort gesagt und durch eine Wahrnehmung gehört ...

Im Christentum heißt es, in Matthäus 22:37-39:

37 Jesus aber sprach zu ihm: "Du sollst lieben Gott, deinen HERRN, von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüte."
38 Dies ist das vornehmste und grösste Gebot.
39 Das andere aber ist ihm gleich; Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.

Der Gehorsam als Geist des Judentums leitet ungehorsame Juden. Sie haben die Lehre verinnerlicht: "Du sollst dich nicht niederwerfen vor ihnen und ihnen nicht dienen ..." (Exodus 20:5) Moses Hess (1812 - 1875), Karl Marx (1818 - 1883), Ferdinand Lassalle (1825 - 1864) und Eduard Bernstein (1850 - 1932), die Gründer der Sozialdemokratie, bringen aus dem Judentum Vorstellungen vom Menschen und der menschlichen Gesellschaft in die sozialdemokratische Bewegung ein. Im Kapitel 6 "Die Erfindung der Sozialdemokratie" stellt Hans Erler in seinem Buch "Judentum und Sozialdemokratie" diese Juden vor. Obgleich säkularisiert, ist ihre Herkunft aus der jüdischen Religion und Kultur offensichtlich, sie stammen in erster bzw. zweiter Generation aus orthodoxen oder zumindest gläubigen jüdischen Familien. Den Gehorsam gegen Gott haben sie dort gelernt: "Ich bin der Ewige, dein Gott, der ich dich geführt aus dem Lande Mizrajim [Ägypten], aus dem Knechthause. Du sollst keine fremde Götter haben vor mir."

Ihr Ungehorsam richtet sich nicht gegen Gott, sondern gegen fremde Götter vor Ihm. Dieser weltliche Ungehorsam mißt die jeweilige Regierungsform bewußt oder unbewußt an den Zehn Geboten, am WORT. Herrscher maßen sich an, gottgleich zu sein, sie wollen Unterwerfung, sie mißbrauchen die Lehre, Gottes Namen zu verfälschen, ihn in Willkür für ihre Zwecke zu benutzen, sie beuten die Menschen selbst an dem einen Tag aus, an dem Gott will, daß ihm Ehre erwiesen und deshalb nicht malocht werde, sie verraten Vater und Mutter für einen Vorteil, sie morden, stehlen, brechen die Ehe, sie verleumden ihre Nächsten und bemächtigen sich auf Grund ihrer Machtposition deren Besitzes.

Durch die Uminterpretation der Paradiesgeschichte und die Neubewertung des Begriffes Ungehorsam liefern alle Texte einen hohen Erkenntnis- und Unterhaltungswert, sie sind originell und regen zum Widerspruch an, etwa so wie der Streit zwischen den Anschauungen über die Farbenlehre von Isaak Newton und Johann Wolfgang von Goethe. Da reden auch beide von verschiedenen Erscheinungen, die mit demselben Begriff belegt werden. Die Leser dürfen sich damit auseinandersetzen. Hans Erler spart nicht mit Beispielen, die seine verwegene These untermauern sollen. Kain und Abel, Sarah, Hagar, Abraham, Esau, Rebekka, Juda, Ruben, die verhinderte Opferung Isaaks, Hans Erler setzt den Hobel an und hobelt alles gleich: Ungehorsam!

Abraham aber ist das Opfer seines Sohnes erlassen worden, weil er der Bitte Gottes gehorsam war: "Nimm doch deinen Sohn, deinen einzigen, den du liebst, den Jizchak und gehe hin in das Land Morijah, und bringe ihn dort zum Opfer auf einem der Berge, den ich dir ansagen werde." Die Formulierung "Nimm doch" ist kein Befehl, sondern eine Bitte, derer sich Abraham noch leichter hätte entziehen können als einem Befehl. Raschi kommentiert: "Nimm doch, ist stets ein Ausdruck der Bitte, Er sprach zu ihm, ich bitte dich, bestehe mir diese Prüfung, damit man nicht sage, an den früheren war nichts Wirkliches."

Nach bestandener Prüfung heißt es: "Und er [der Engel Gottes] sprach: Strecke nicht deine Hand nach dem Knaben aus, und tue ihm nicht das Geringste. Denn nun weiß ich, daß du gottesfürchtig bist; denn du hast mir nicht verweigert deinen Sohn, deinen einzigen." (Genesis 22:2, 22:12) Raschi kommentiert: Strecke nicht aus, um zu schlachten; da sagte er [Abraham], dann wäre ich umsonst hierher gekommen, so will ich ihn wenigstens ritzen und etwas Blut von ihm herauskommen lassen; Er aber sprach, tue ihm nicht das Geringste, bringe ihm keinen Leibesfehler bei."

Es handelt sich wieder um einen Gehorsam gegen Gott. Zum Lohn für den Gehorsam sind für alle Zeiten Menschenopfer aus der jüdischen Gesellschaft verbannt worden. Daraus macht Hans Erler: "Abraham gehorcht nicht und tauscht seinen Sohn gegen einen Widder aus." (Seite 244)

Der "Ungehorsam der hebräischen Hebammen gegenüber dem Befehl des Pharao, alle hebräischen Knaben in den Nil zu werfen," (Seite 245) ist Gehorsam gegen Gott, gegenüber dem zu der Zeit ebenfalls noch nicht gegebenen WORT, Gebote Eins und Fünf: "Du sollst nicht morden." Der Pharao wirft sich auf zum Herrscher über Leben und Tod, diese Herrschaft aber ist Gott vorbehalten. Und so könnte man alle Behauptungen des Hans Erler über den Gott wohlgefälligen Ungehorsam wieder geraderücken. Das auserwählte Volk besteht aus denjenigen, die den Anspruch Gottes auf Gehorsam gegen Ihn anerkennen und aushalten wollen, daß es nicht immer gelingt, sieht man zuerst in der Paradiesgeschichte. Die Verbrechen der Geschichte stammen niemals aus dem Geist des Gehorsams gegen Gott, sondern aus dem Ungehorsam gegen Ihn. Menschen begehen Verbrechen, wenn sie das WORT nicht achten, und das achten sie nicht, weil sie seit der Paradiesgeschichte die Entscheidung zum Bösen treffen können und davon reichlich Gebrauch machen. Sie haben "Lust am Bösen".

Nachdem Gehorsam und Ungehorsam zur Genüge verkehrt worden sind, liefert Hans Erler ein "Nachwort für jüdische Leser". Ob Nichtjuden das Buch nun zuklappen müssen, weil es sie nichts angeht, es gar für sie verboten ist, oder ob sie als Christen oder Atheisten Ungehorsam einüben und wider die Zueignung doch einen Blick darauf werfen und zur Salzsäule erstarren sollen, überläßt der Autor der freien Entscheidung der nichtjüdischen Leser. (Seite 251-256)

Im Nachwort zitiert er Erhard Roy Wiehn (geb. 1937) und Benno Jacob. In den sechs Seiten ist alles gesagt, aber einen größeren Unterhaltungswert hat das neben dem Erkenntniswert nicht. "Das Verbot war eine Prüfung, von der Gott aber wusste, dass sie der Mensch nach seiner Natur nicht bestehen werde, so wie das ganze Paradies eine solche Probe war ...," schreibt Benno Jacob (1862 - 1945) in seinem Buch "Genesis", 1934. Die Christen nennen das "Erbsünde". Von einem Einverständnis Gottes mit dem Ungehorsam gegen Ihn kann keine Rede sein: "Damit ist nicht gesagt, dass die Übertretung des Verbots von Gott gewollt, sondern nur, dass sie von ihm vorausgesehen war ..."

Die Voraussetzung des Judentums als Gesetzesreligion ist der Gehorsam gegen Gott und nicht der Ungehorsam. Die Logik ist einfach: Wie kann einer ungehorsam sein, wenn er nicht zuerst den Gehorsam kennt? Den Gegensatz von beiden hat die Paradiesgeschichte gelehrt. Erst "in der Übertretung selbst wird dem Menschen das Böse bewußt," schreibt Benno Jacob. Der Mensch hat entgegen der Behauptung Hans Erlers die Probe nicht bestanden, er hat sich gegen das Verbot, für das Böse als Teil seiner Natur und gegen das ewige Leben entschieden.

"Er will kein Paradies, sondern Erkenntnis von Gut und Böse," meint Hans Erler. Was das bedeutet, hat der Mensch aber vorher nicht gewußt und der Schlange statt Gott geglaubt. Das führt zur Überschreitung des Verbots.

Persönliche Bemerkung

Muß ich jetzt stolz und geehrt sein sowie auch ein anderer Rezensent des Buches über "Judentum und Sozialdemokratie. Das antiäutoritäre Fundament der SPD", daß Fetzen aus unseren Rezensionen genannt werden im neuen Werk des Autors? Wir sind für ihn nicht einmal als Namen anwesend, von einem Link zu unseren Websites oder Werken nicht zu reden, sondern nur in Form unserer schriftlichen Äußerungen: " 'Das Faszinierende daran ist,' wie in einer Rezension meines Buches zu lesen ist, 'dass sein Ansatz für Juden und Nichtjuden gleichermaßen zugänglich ist. Es geht nicht um jüdische Religiosität, sondern um die grundsätzliche Einstellung zu den Menschen, zur Bejahung des Lebens des einzelnen und der Gesellschaft, es geht um den Ungehorsam von Adam und Eva bis heute'." (Seite 237)

So geht meine Rezension weiter: Eine meiner Lieblingsstellen in der Bibel, Genesis 32, 23-30, erwähnt er nicht, sie gehört aber hierher. Das Ringen Jakobs mit Esaus Engel, mit Gott, der ihm für sein Ringen mit Menschen und göttlichen Wesen den Namen Israel gibt und ihn segnet. Der Preis für den Sieg ist die Lädierung seiner Hüfte; es gibt nichts umsonst, heißt das; wer nicht wagt, der nicht gewinnt, und nichts ist wie vorher, man hinkt.

An anderer Stelle heißt es bei Hans Erler: "In einer Rezension meines Buches war zu lesen: 'Erler verkennt ..., dass ... Ungehorsam in der Arbeiterbewegung nie Selbstzweck, auch nicht im Sinne einer Selbstbehauptung der unterdrückten Persönlichkeit, gewesen ist, sondern der Weg zu inhaltlichen Zielen.' Diese Kritik versteht nicht, dass der Ungehorsam eine private - eine nicht öffentliche - und eine politische Seite hat." (Seite 248)

Abgesehen davon, daß dieser Rezensent mit seiner Einschätzung recht hat, ist er nicht aufzufinden im Internet, kein Name, kein Ort, ein Grab in den Lüften. Allmählich verstehe ich, daß dieser Autor in die SPD gehört. Bei der ersten Rezension habe ich mich noch gewundert, nun nicht mehr. Von einer Bindung an das Judentum ist nichts zu merken.